L.E. Fandt in „Die Fütterung“. Ein tierischer Thriller.
Die Darsteller: Ein Verdächtiger, dessen Söhne, ein hungriger Elefant, noch mehr Kinder und ich. Mein Deckname ist Fandt. L.E. Fandt. Heute wieder mal unterwegs in geheimer Mission. Den Leuten die Bedeutung von Hinweis-Schildern klarzumachen, und solche "Selbstverständlichkeiten". Ein Kampf gegen Windmühlen, sag ich euch. Und da ist er, unser Verdächtiger. Direkt vor dem hungrigsten aller Elefanten. Dieser hat soeben vergeblich versucht, das Schild „Bitte nicht füttern“ wegzuklauben. Der Elefant. Von innen über das Haupttor. Doch das Personal hat gute Arbeit geleistet. Ein einzelner Elefant hat da keine Chance.
Da steht er also, 25Tage-Bart, rundliches Gesicht, Hundeblick. Nicht das Tier. Der Verdächtige. Wie nebenbei fuchtelt er mit einem Apfel rum, knabbert langsam die Schale weg. Blickt gemein grinsend zum Elefanten hoch, lächelt wissend zu seinen Kindern runter. Spannung liegt in der Luft. Und ein Geruch. Nach Aepfeln. Wann ist’s soweit? Nicht lange, und es kommt, was kommen musste. Seinen Söhnen Ueberraschung vorzuspielen ist keine Kunst: „DER ist aber hungrig!“ und... schwupp, weg ist der Apfel. Gefühllos beobachte ich die Szene. Ich geb mich noch nicht zu erkennen, gebe ihm noch eine Chance. Bevor ich diesen kurzen Gedanken zu Ende denken kann, zaubert der auf frischer Tat Ertappte einen zweiten Apfel hervor. Der Vater steht im Mittelpunkt. Seine beiden Söhne strahlen ihn mehr an als die mächtige, hautnah vor ihren Nasen rüsselnde Königin der Tiere.
Die Szene zieht andere Kinder an. Einer hat auch einen Apfel. Doch der - also der Junge - kann lesen und meint, das Schild musternd: „B-i-t-t-e-n-i-c-h-t-f-ü-t-t-e-r-n“. Hmmm? Das gefällt dem Elefanten gar nicht! Auch die Miene des Erwachsenen verfinstert sich. Sein Sohn wollte es ihm, seinem Vorbild, doch soeben gleichtun: Auf der flachen Hand liegen schon Erdnüsse bereit. Erdnüsse???!!! Bevor es noch ganz ausartet, gebe ich mich zu erkennen. „Hallo. Ich möchte Sie höflich darauf hinweisen, dass das Füttern dieser Tiere gemäss diesem blauen unauffälligen Schild hier nicht erlaubt ist.“ Das Kind zieht seine Hand blitzartig unter sein Kinn zurück und schaut erst mich, dann seinen Vater unsicher an. Des Vaters Gesicht scheint wie gelähmt, in seinem Gesicht bewegt sich nur der Mund: „Warum?“ tönt es. Hallo, ist das alles? Soviel Kaltschnäuzigkeit bringt sogar mich leicht aus der Fassung.
„Aehm, also hallo, nochmals. Mein Name ist L.E. Fandt.“ (Schweigen) “Sagt ihnen nichts? Nein?“ Ihn meine leise Enttäuschung nicht anmerken lassen und fortfahren sind eins: „Ja, also, es gibt mehrere Gründe für das Schild. Wissen Sie, die Elefanten sind wie Kinder. Essen alles, was ihnen in die Finger… ...in den Rüssel… äh… kommt.“ Sohn Nummer zwei, etwas fester gebaut als Nummer eins, mustert mich leicht verärgert. Doch das übersehe ich gekonnt. „Und?“ sagt der Mund. Ich fahre fort: „Vieles tut ihnen einfach nicht gut. Nahrung, die wir Menschen vertragen, kann die Verdauung der Tiere beeinträchtigen…“ …ein leicht erschreckter Elefantenblick, ein Rüsselschwenker Richtung Magen… „…und sie werden unglaublich schnell dick und setzen bei den Augenlidern Fett an…“ …der hungrigste aller Elefanten sperrt seine Augen weit auf… „Popcorn?“ wirft der Herr kurz und bündig ein. Damit habe ich gerechnet: „…genau! Und das Wichtigste…“ …es wird luftstill, als der Elefant die Luft anhält… „…diese Tiere müssen mit Futter gelenkt werden. Wenn sie etwas hungrig sind, gehorchen sie besser!“ Triumphierend blicke ich in das erstarrte Gesicht mit Mund. Der Elefant schnaubt protestierend und verursacht einen kleinen Staubtornado.
Der Vater reagiert: „Kommt, Fritzli und Hansli, der Elefant hat nun keinen Hunger mehr!“, packt Sohn 1 links und Sohn 2 rechts bei der Hand und zerrt sie zügig weg. Ja, ich konnte es in seinen leblosen Augen sehen: Das schlechte Gewissen plagt ihn, das Gute hat wieder gesiegt! Die nächste Beförderung ist mir sicher... Langsam klärt sich mein entrückter Blick. Die übriggebliebenen Kinder starren mich mit offenen Mündern an. „Aehm, wo waren wir…?“ überspiele ich meinen kurzen gedanklichen Höhenflug gekonnt und schau mich so spontan wie möglich um. Wie gelenkt landet mein Blick direkt wieder bei diesem Vater und seinen Söhnen. Eng beisammen stehen sie bei den Totenkopfäffchen. Es ist eine Freude, diese herzigen Tiere so lebendig rumtollen zu sehen… Auch wenn… So verhalten die sich doch nur beim Streiten, oder beim… Futtern?... Tja. Wisst ihr jetzt, was ich zu Beginn meinte mit den Windmühlen?
Unter uns: Wollen wir wirklich kugelrunde, kranke Elefanten, die vor lauter Uebergewicht einknicken? Ihre Augen nicht mehr richtig öffnen können? Sich einen Dreck um Befehle scheren? Sich für die Reinigung nicht mehr hinlegen, die empfindlichen Füsse nicht mehr pflegen lassen wollen? Nicht mehr baden gehen, keine Leute mehr rumtragen und abends nach Belieben in den Stall zurückkehren? Natürlich, das würde auch diesem stolzen Vater und seinen Kindern nicht gefallen. Auch nächste Saison wollen wir unsere Freude an den Elefanten, an allen Tieren haben. Bis dann, bleibt gesund. Und „Bitte nicht füttern“! Mein Name ist L.E. Fandt. Ich bin da, wo ich gebraucht werde. Und… Nein, Sabu! Go back, Sabu!!
Dies passiert unter anderem, wenn sich die Zoobesucher nicht an das Fütterungsverbot halten.