Juni 2011: Zoo Rapperswil
Der erste Sommer-Monat der KiZoo-Saison 2011. Auch die grauen Riesen haben sicher schon mehr Sonne abbekommen als die Jahre zuvor. Doch die Freude am Baden hängt bei ihnen ja nicht nur von den Aussentemperaturen ab. In den letzten Wochen scheinen Sabus Solo-Vorführungen etwas nachgelassen zu haben. Sie findet es wohl nicht so prickelnd, wenn sie das Bassin mit anderen teilen muss. Dafür wirkt Siri aktiver als sonst: Sie kriegt sie eh alle rum, ob Individualistin Sabu, die zurückhaltende Rani oder die leicht altersschwachen Patma und Sumatra. Auch uns Zuschauer. Wie sie mit weit geöffnetem Maul und hochgerecktem Rüssel grüsst und uns mit ihren netten weit aufgerissenen Glubschaugen anstarrt! Dazu verabschiedet sie sich an diesem Tag besonders herzlich von uns: Innert weniger Sekunden schaut sie uns gut an, streckt ihre lange Nase kurz raus, schnaubt, zieht den Kopf gleich wieder zurück und verlässt zügig das Becken… Ein richtiger Sonnenschein, diese Elefanten-Dame!
Bei einem Besuch Mitte Juni entdecken wir ein paar Federn im Pool. Was da mit einem der vorlauten Federviecher passiert sein könnte, überlassen wir der Fantasie des Lesers. Sicher sind keine Elefanten oder Menschen zu Schaden gekommen, wohl auch keine anderen Lebewesen.
Auch das Reiten gehört zum täglichen Programm. Die nicht mehr eingesetzte Patma verharrt schon längere Zeit beim Reitareal, direkt hinter der Absperrung, und wankt ungeduldig hin und her. Vermisst sie das Reiten oder ihre Kolleginnen? Da erinnere ich mich gleich wieder an ältere Episoden: Mal überstieg Rani akrobatisch das Absperr-Seil. Doch die Pfleger sind aufmerksam und die vorwitzige Dame wurde unvermittelt zurückgeführt. Noch amüsanter war die Episode, als der Durchgang zum Reitareal offengelassen wurde und die nicht beschäftigten Dickhäuter irgendwie unbeteiligt und doch interessiert beobachtend im Reit-Areal herumstanden, zum Teil mitten im Kurs. Zuschauer, Elefanten und Wärter hatten alle ihren Spass am unüblichen Bild und an den slalomartig zu überwindenden Hindernissen.
Zurück zu Patma: Sie ist zwar nicht mehr die Agilste und wird nicht mehr fürs Reiten eingesetzt, doch sie ist immer noch fit. Auf einen kurzen Befehl hin umschlingt sie den Oberkörper ihres Pflegers und hebt ihn für ein paar Sekunden vom Boden ab. Ja, auch sie war mal ein Zirkus-Elefant. So was Anstrengendes macht durstig und es ist vor allem Patma, die man regelmässig beim Wasser schlürfen beobachten kann. Manchmal tut sie dies so lange, 15, 20 Minuten, dass man befürchten muss, sie könnte platzen. Wahrscheinlich nimmt sie’s ihrem Alter entsprechend einfach gemütlicher als ihre Kolleginnen.
Dafür nimmt’s die Jugend, vor allem Sabu, beim Fressen nicht so gemütlich. Nicht genug, dass sie die erste beim Heu ist und sich den grössten Ballen schnappt. Sie hat’s sich angewöhnt, schon 30 Minuten vor der Publikums-Fütterung genau an ihrem Platz bereitzustehen, Kopf nach links und nach rechts, den Rüssel nach jeder menschlichen Bewegung ausstreckend. Meist schnappt sie sich zum Zeitvertreib ein Stöckchen, was dann wie Dirigieren aussieht. Dazu die bettelnden Hundeaugen: „Du da mit dem Apfel, bitte so bald als möglich zu MIR kommen und MICH füttern, bittebittebitte!“ Oder sieht sie vor lauter Gier uns schon als bearmtes und bebeintes Grossgemüse? (mjam!) Armer grosser Elefant hat doch so grossen Hunger! Sabu, wir fühlen mit Dir.
Doch keine Sorge: Nach der Fütterung gibt es eine weitere Gelegenheit, sich ein paar Häppchen zu sichern. Es ist nicht immer derselbe Elefant, der den Futtergraben aufräumt. Also den Graben, über den sich die Elefanten strecken, wenn sie vom Publikum gefüttert werden. Sabu tut dies heute wie folgt: Sie trottet zu ihrem Chef, schaut ihn erwartungsvoll an, der spricht zu ihr und der hungrige Elefant schreitet daraufhin in den Graben runter. Ja, für ein paar ungeschickt gereichte, zu Boden gefallene Aepfel und Rüebli lernt man gerne gehorchen!
Natürlich gibt es viele Eltern, die mit ihrem Nachwuchs ganz vorne stehen, um den eindrücklichen Riesen näher zu sein. Sabu ist an dem Tag kontaktfreudiger als sonst: Statt weiter den Boden abzusuchen, dirigiert sie ihren Rüssel übers Geländer, zu einer Mutter, die ihr Kind umschlungen hält. Höher und höher hebt Sabu ihre lange Nase, verharrt damit genau über der „Dächlikappe“ des Babys und senkt sie dann, Oeffnung nach unten, sachte und punktgenau auf den Babykopf. Kurz und sanft tastet sie das farbige Kopfteil ab und zieht den Rüssel zurück. Das Kind scheint zwischen Faszination und Erschrecken erstarrt und beginnt leicht zu jammern. Die lachende Mutter tröstet es: „Weißt Du, dem Elefant hat halt Deine Kappe gefallen.“ Ein paar Minuten später rüsselt Siri über das geschlossene Haupttor und tippt einem oben auf der Balustrade stehenden Mädchen mit gebogenem Rüssel mehrmals auf die Kappe. Eindrücklich, nicht?
Zurück zu Sabu. Denn die Diva kann auch Empörung zeigen! Wir stehen beim Elefanten-Tor und wollen eigentlich gerade gehen, als ein Mann mittleren Alters Sabus ausgestreckte Rüsselspitze streichelt und sie lobt: „Du bist aber ein ganz herziger Elefant!“ Doch was tut dieser „herzige Elefant“? Aprupt und empörten Blickes zieht der seinen Rüssel zurück, läuft ein paar Meter rückwärts und starrt uns alle arrogant an: „Herziger Elefant??!! Ich bin der grösste, stärkste und wichtigste Elefant von ganz Rapperswil …und Umgebung!“ Wir verneigen uns vor Dir, grosse Sabu! ;-)
Zur Abwechslung ein paar Worte übers Publikum. Auch da gäbe es viel zu erzählen. Wie über den älteren Herrn, der nach der Elefantenfütterung seinen Abfall im leeren Gemüse-Schubkarren deponiert. Zufälligerweise möchte der Wärter den Karren gerade abholen und bemerkt die „Untat“. Nett weist er den Täter auf sein Verhalten hin. Also, der Herr war älter als alle Elefanten. Aber ist er auch gescheiter?
Lustiger sind da die Eltern, die vor lauter Freude an den Tieren selbst fast zu Kindern werden. Oder die Sätze, mit denen die „allwissenden“ Eltern ihre „unwissenden“ Kinder überhäufen: „Junior, komm sofort weg von da vorne, sonst packt Dich der Elefant und frisst Dich auf!“ oder „Weißt Du, die Elefanten sind nur so nett wenn ein Pfleger bei ihnen ist!“ oder „Das da ist der männliche Elefant, und da hinten das Baby!“ Weder noch! Wenn Sabu das gehört hätte. Sie, ausgerechnet SIE, ein Baby… „Schau, das ist sicher der Bulle, der dem Weibchen auf den Rücken steigen will!“ Nein, es ist Rani, die mit Patma spielt. Und alle wollen die Ausreisserin Sabu erkannt haben. Dann müssten aber alle fünf so heissen… Jedenfalls haben die meisten Leute einen Riesenspass an den Rüsseltieren und sind enttäuscht, wenn sie nicht einen persönlichen Wasserspritzer abbekommen.
Apropos Wasserspritzer: Es ist Mitte Juni, die Tage werden länger und heisser. Elefanten können schreckhaft sein. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Als auf dem Elefantendach eine Sprinkler-Anlage montiert wird, steht die Herde zwar interessiert dabei. Doch als erste Funktionstests gestartet werden, gehen die Dickhäuter dem simulierten Regen lieber aus dem Weg. Dabei fällt vor allem Rani auf, weil sie erschreckt und protestierend quietscht und Trost bei ihren älteren Kolleginnen sucht, weit weg von diesem hinterrücks angreifenden Zeugs. Ist doch wirklich zuviel für einen so hilflosen Elefanten, für ein so kleines Elefantenherzchen! Ja, Rani hat einen aufregenden Tag. Als die Anlage abgeschaltet ist, kommt sie wieder nach vorne zum Elefanten-Tor. Doch es dauert nicht lange und sie schreckt zurück, Richtung Seelöwen-Arena starrend. Was ist DAS denn? Schon länger steht da ein grösserer Lieferwagen, der sich nun langsam und tief brummend nähert und ein Wendemanöver einleitet. All das geschieht gut 20 Meter von Rani entfernt, getrennt von einer stabilen Holz-Umzäunung, aber es ist zuviel für die scheue Dame. Quietschend rennt sie auf die andere Seite zu Patma und lässt sich wieder umsorgen. Gell, Rani, die Welt ist grausam!
Auch beim Essen muss Rani mit ihrer Umwelt, genauer mit Sabu, kämpfen: Gleich nach den Aepfeln und Karotten der Besucher-Mittagsfütterung gibt’s als Nachschlag jeweils riesige Aeste mit viel Grünzeug. Sabu ist wieder mal die erste und lässt sich’s schmecken. Kurz darauf schliesst Rani sich ihr an und wühlt in den Aesten rum. Sabu passt das aber gar nicht und schaufelt alle vor Rani liegenden Aeste mit weit ausholenden Bewegungen zu sich rüber. Nachdem sie Rani noch ins Maul gegriffen hat („Bitte alles zurückgeben, was Du schon gefressen hast!“), macht Sabu zwei Schritte weg von ihrer Fress-Konkurrentin. Rani kann gerade noch ein/zwei Aeste zurückholen. Als kurz darauf auch Sumatra nach vorne kommt, packt Sabu ihre „sieben Sachen“ und schleppt den ganzen Busch zu einem schattigeren Plätzchen, wo ihr das Futter nicht mehr streitig gemacht werden kann. Noch Fragen?